Als kinderloser Erwachsener in Deutschland habe ich den großen Vorteil, meinen Tag, außerhalb der Arbeitszeit, größtenteils so zu gestalten, wie ich das möchte. Wann ich ins Bett gehe, wann ich aufstehe, was ich vor oder nach der Arbeit mache. All das ist in der Regel mir selbst überlassen. 

Ende letzten Jahres habe ich im Buchladen den Titel THE 5 AM CLUB entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nur ein paar Seiten darin geblättert, der Inhalt ist mir allerdings nicht mehr aus dem Kopf gegangen. So beschloss ich nach den Feiertagen über den Jahreswechsel mit einer neuen Morgenroutine. Während dieser Zeit habe ich mir das Buch gekauft und natürlich zu Ende gelesen. Von den ersten sechs Monaten möchte ich euch gerne berichten.

Meine alte morgendliche Routine

Es gibt Menschen, die brauchen nur sehr wenig schlaf. Die gehen um 23 oder 24 Uhr ins Bett und stehen um 6 Uhr auf und können, am Arbeitsplatz angekommen, ihre volle Leistung bringen. Ich hingegen brauche meinen Schlaf. 8 Stunden sollten es schon sein. Ein paar Tage gehen auch mal 7 Stunden. Aber das wirkt sich auch schnell auf meine Müdigkeit während des Tages aus. Mein Tag sah immer so aus, dass ich mich gegen 22:00 Uhr bettfertig machte und zwischen 22:30 und 23:00 Uhr das Licht ausgemacht habe. Um 6:30 Uhr klingelte dann der Wecker. Aufstehen, 5-10 Minuten Instagram zum Wach werden, duschen, frühstücken, anziehen, noch einmal durch die Wohnung huschen und etwas aufräumen und dann ab zur Arbeit. Nach der Arbeit habe ich mich dann oft gestresst gefühlt. Ich wollte noch so viele Dinge machen, die dann irgendwie doch häufig auf der Strecke blieben: Laufen gehen, Lesen, Meditieren, Weiterbilden. All die Dinge, für die man sich aktiv Zeit nehmen muss. Wenn ich ehrlich bin. Klar hatte ich oft die Zeit, aber nach der Arbeit hat auch oft die Motivation gefehlt. Dann hat man lieber Netflix oder die Konsole angemacht. 

Die Philosophie des 5 AM Clubs

Der Autor Robin Sharma schreibt auf 336 Seiten in einer prosa ähnlichen Form über seine Lebensphilosophie, die darauf beruht vor Sonnenaufgang aufzustehen. Er verpackt seine Message in einer Geschichte, deren Hauptrollen eine Workaholic, ein Künstler und ein mysteriöser älterer Mann spielen. Vor allem aber scheint der Autor Schmetterlinge zu lieben. Die sprießen ständig hervor und vollenden die Szenerie. Ich muss gestehen, dass ich das Buch jetzt nicht noch einmal aus dem Regal geholt habe, um alles detailliert zu beschreiben. Die wichtigste Message ist die 20/20/20 Formel. Du steht um 5 Uhr morgens auf und machst dann die folgenden drei Dinge jeweils 20 Minuten:

  • 20 Minuten Sport
  • 20 Minuten Meditieren oder Journaling
  • 20 Minuten Lesen oder Weiterbilden

Meine Morgenroutine in den ersten 3 Monaten

Ungefähr die ersten drei Monate habe ich die Morgenroutine strikt durchgehalten. Ich bin aufgestanden und habe mit Sport begonnen. Meistens bin ich eine Runde laufen gegangen. Danach habe ich ein Buch gelesen und im Anschluss habe ich meditiert. An Tagen, an denen ich morgens nicht direkt voller Power war oder mich nicht so gut gefühlt habe, habe ich Yoga gemacht. In den Wintermonaten ging diese Routine sehr gut. Ich war früh müde und bin gegen 21:00 Uhr ins Bett gegangen. Es war dunkel, draußen war es kalt und im harten Lockdown gab es auch keine sozialen Events. Ich konnte schnell einschlafen und war um 5:00 Uhr auch fit. Nun hatte ich nach der Arbeit ein entspannteres Gefühl und nicht den Gedanken im Kopf, dass ich ja noch laufen gehen muss/will.

Meine Morgenroutine in den zweiten 3 Monaten

Nichts ist beständiger als der Wandel, heißt es so schön. Meine Morgenroutine habe ich immer noch. Sport, Lesen, Meditieren. Aber ich bin nicht mehr ganz so streng zu mir. Die ersten 3 – 4 Monate habe ich wirklich jeden Tag meditiert. Meine Headspace App hatte einen schönen Rekord auf der Anzeige. Doch ich habe auch gemerkt, dass es Tage gibt, an denen mich die Meditation mehr genervt hat, als dass sie mich entspannt hat. Auch gibt es Tage, an denen ich es bevorzuge nach der Arbeit Sport zu treiben. Wenn ich weiß, dass es nach der Arbeit warm wird, dann habe ich keine Lust morgens im Dunkeln bei 5 Grad laufen zu gehen. Im Winter ist die Uhrzeit vollkommen egal. Es bleibt nass, dunkel und kalt. Doch im Frühling ist der Morgen noch winterlich, der Nachmittag aber an einigen Tagen schon sommerlich. So hat sich etwas mehr Flexibilität in meine Morgenroutine geschlichen. Auch bevorzuge ich es lieber, erst einmal 20 Minuten zu lesen, um vollkommen wach zu werden. Auch ist es ein kleiner Vorteil, 20 Minuten später laufen zu gehen, weil dann nach der Laufrunde wenigstens schon die Bäckereien geöffnet haben. Mir hat es gut getan, mich von dieser Strenge zu lösen. Geschafft habe ich ja weiterhin alles, nur eben etwas entspannter.

Mit Beginn des Sommers und der längeren Tage hat sich die Morgenroutine jedoch deutlich verschoben. Um 21 Uhr ist es noch extrem hell, der Sonnenuntergang schaut gerade in mein Schlafzimmer herein. Selbst um 22 Uhr ist es noch taghell. Selbst wenn ich schon etwas müde bin, mein Körper kann bei dieser Helligkeit im Schlafzimmer überhaupt nicht einschlafen. Das Melatonin scheint noch zu fehlen. Hinzu kommt die Rückkehr zum sozialen Leben. Nach der Arbeit noch an den See, mit Freunden treffen, in eine Bar gehen. All die Dinge, die man an wundervollen Sommertagen eben so macht. All die Dinge die man so genießt, wenn in Deutschland das schöne Wetter einkehrt. Wenn ich erst gegen 22 Uhr Richtung Bett gehe, dann kann ich natürlich nicht mehr um 5 Uhr aufstehen. Zunächst habe ich den Wecker auf 5:30 Uhr verschoben. Nun im Hochsommer habe ich den Wecker auf 6:00 Uhr gestellt. So schaffe ich es, zumindest in der Home Office Phase, immer noch meine 20/20/20-Regel beizubehalten. Ich muss mich allerdings etwas mehr beeilen, da der Arbeitsbeginn schneller auf einen zukommt als gedacht.

Meine persönlichen Erfolge durch die neue Morgenroutine

Ich werde meine Routine in ihrer Form weiter beibehalten. Ich werde diese je nach Jahreszeit und anderen Umständen etwas flexibler gestalten als zu Beginn. Aber sich morgens zu bewegen, etwas zu lesen und zu meditieren tut mir sehr gut. Ich habe seit Jahren das große Ziel 1.000 Kilometer in einem Jahr zu laufen. Meist ist in der Woche etwas dazwischen gekommen. Um mein Pensum einzuhalten, habe ich immer zu lange und intensive Einheiten gemacht, die jedes Mal zu Verletzungen geführt haben. In diesem Jahr laufe ich konstant 3 – 6 Mal die Woche. Meist so 4,5 – 7 Kilometer. Am Wochenende auch mal 10, 15, 20 Kilometer. Die Konstanz durch die Routine und die kleineren Runden bringen mich meinem Ziel jeden Tag etwas näher. Stand heute bin ich schon bei ca. 750 Kilometern. Die 1.000 Kilometer sollten also vor Wintereinbruch erreicht sein. Bisher lag bei ca. 800 Kilometer die magische Grenze.

Auch habe ich in diesem Jahr deutlich mehr gelesen. Ich lese schon immer gerne. Auch wenn es mal Phasen gibt in denen ich weniger lese. Irgendwo liegt eigentlich immer ein Buch herum. Am Ende des Jahres habe ich eigentlich immer mindestens 5 Bücher gelesen gehabt. In diesem Jahr bin jetzt schon bei 16 Büchern. 15 wollte ich in 2021 lesen. Natürlich schaffe ich das nicht nur durch die 20 Minuten am Morgen. Da ich aber schon alle relevanten Dinge in den Morgenstunden erledigt habe, bleibt nach der Arbeit noch mehr Zeit zum Lesen.

Auch das Meditieren gehört mittlerweile zu meinem Alltag. Und ich möchte meine Headspace App nicht mehr missen. Gerade vor wenigen Tagen habe ich mein Abo verlängert. Nachdem mir 7 Mind nicht so gut gefiel, empfahl mir ein guter Freund Headspace. In den ersten Monaten habe ich die App maximal 2 Mal die Woche genutzt. Eher so einmal. Als wir über die Weihnachtstage einen Spaziergang machten, motivierte er mich dazu, regelmäßiger zu meditieren. Ich nahm mir vor, mindestens 3 Mal in der Woche zu meditieren. Dank der Morgenroutine meditiere ich in der Woche zu 90% jeden Tag. Und am Wochenende immer mindestens 1 Mal. Am Samstag ist meist mein meditationsfreier Tag. Die Morgenroutine hat mir dazu verholfen, einige meiner Jahresziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen. Ich bin gespannt, wie lange ich diese Routine beibehalte und ob ich im Laufe der Sommersonnenwende auch wieder früher ins Bettchen gehen werde.

Mein Fazit zur Morgenroutine

Meiner Meinung nach ist Robin Sharma in seinem Buch recht streng. Übrigens sind viele der Aspekte aus dem Buch “7 Habits of Highly effective People”. Fast alles steht auf irgendeine Art schon in anderen und älteren Büchern. Auf jeden Fall tut die Strenge zu Beginn gut, damit man sich an die Habits gewöhnt. Sharma sagt aber zum Beispiel, dass man sich das Ganze gleich sparen kann, wenn nicht zu Beginn Sport macht. Mir fehlt in dem Buch die Menschlichkeit. Es gibt Tage da fühlt man sich nicht gut, Tage wo der Körper erschöpft ist, Tage wo draußen ein Sturm die Bäume durch fegt. Oder eben die Tatsache, dass der Autor in Los Angeles lebt und in Hannover die Sonne zu anderen Zeiten auf- und untergeht. Jetzt könnt man sagen, das sind alles ausreden. Aber ein Mensch ist kein Roboter. Und am Ende schadet man sich selbst mehr, wenn man den Plan sklavisch durchzieht. Mein Weg der Morgenroutine hilft mir sehr gut. Ich passe ihn an meine Empfindlichkeiten und die Jahreszeiten an. Ich kann jedem empfehlen das Buch einmal zu lesen.